Klein gegen Groß im Pokal? In diesem Spiel eher nicht. Die Lilien reisen nach chaotischem Ligastart zu 1860 München, die ihrerseits gut in die Saison kamen. Fast könnte man meinen der letztjährige Beinaheaufsteiger ist der Favorit auf die zweite Runde. Ein offenes Spiel an der altehrwürdigen Grünwalder Straße?

Darmstadt:

Das 0:3 im Wildpark tat weh. Das erneut letzte Aufgebot der Lilien schlug sich wacker in Baden, verlor aber am Ende deutlich. Nicht auszudenken, was möglich gewesen wäre, hätte man den zwischenzeitlichen Ausgleich nicht aus dem Abseits erzielt. So setzte sich der KSC durch. Das frühe Tor half den Gastgebern das Spiel zu dominieren und sich relativ entspannt einzurichten. Mit 60% Ballbesitz kontrollierte man das Geschehen, ohne aber besonders aus dem Sattel gehen zu müssen. Mit fünf Schüssen auf das Lilientor, hatte man gar kein so großes Übergewicht. Die Lilien prüften immerhin zweimal Keeper Gersbeck. Auch die expected goals zeigen die Effizienz der Badener. 1,57 xG für drei Treffer sind stark, 0,85 (ohne das Abseitstor) für die 98er reichten zu nichts Zählbarem. Der Fehlstart ist also perfekt, aber unter den Umständen durchaus erklärbar. Dazu stand in Karlsruhe ein deutlicher Leistungssprung, die Lilien waren keinesfalls ratlos im Wildpark, eher unglücklich. Und schaut man auf die Tabellennachbarn, so sieht man Teams wie Kiel oder Sandhausen. Man kann also auch ohne Quarantäne und als Relegationsteilnehmer oder Klub mit namhaften Verstärkungen unten drinhängen. Und nun hat man immerhin eine Woche frei von der Liga. Der Pokal ruft und noch dazu mit einem Traditionsduell. An die Grünwalder Straße ist man seit 1992 nicht mehr gereist aus Südhessen.

Betrachtet man die Geschichte, so ist München-Giesing nicht das beste Pflaster für die Lilien. Über einen Zähler kam man nie heraus. Viermal konnte man einen Remis erreichen. 1973 gab es ein 3:3 und 1:1, 1977 punktete man bei einem 2:2 und 2014 bei einem 1:1. Damals traf Stroh-Engel für die 98er, allerdings in der Allianz Arena. Da älteste zu findende Duell ist übrigens aus der Oberliga Süd Spielzeit 1950/51. In München gewannen die Löwen 3:1, das Rückspiel endete 5:3 für Darmstadt. Insgesamt gab es sieben Liliensiege, fünf Remis und neunmal triumphierten die 60er. Gut für den SVD, seit 2018 ist man nichtmehr in Runde eins aus dem Pokal ausgeschieden. Damals verlor man in Regensburg 1:3 gegen einen Ligakonkurrenten. Gegen einen klassentieferen Kontrahenten schied man letztmalig 2017 aus. Seitdem schlug man den FC Oberneuland und zweimal Magdeburg in diesem Wettbewerb zum Auftakt. Letztes Jahr hatte man einen richtig guten Lauf, man dreht ein 0:2 wie erwähnt gegen den 1.FCM, dann schlug man Dynamo Dresden deutlich und schied letztlich in der Elfmeterlotterie gegen Kiel aus. Damit hatte man es Holstein schwerer gemacht als der FC Bayern eine Runde zuvor. Vielleicht kann man also auch dieses Jahr den Kopf ausschalten und den Pokal genießen.

1860:

Start geglückt kann man beim TSV 1860 wohl sagen. In die neue drittliga Saison ist man mit vier Punkten und ohne Gegentor gekommen. Nach dem Herzschlagfinale der letzten Spielzeit, als die Löwen im finalen Spiel gegen Ingolstadt die Relegation verpassten, scheint verarbeitet. Und Druck macht man sich beim Traditionsklub aus München-Giesing auch nicht. „Mittelfristig“ will man in die zweite Liga zurückkehren. Dafür versucht man offenbar den Kader zu entwickeln, im Sommer gab es wenig neues auf dem Transfermarkt bei den Löwen. Neu sind lediglich drei Profis an der Grünwalder Straße. Rechtsverteidiger Kevin Goden, Mittelfeldspieler Yannick Deichmann und Stürmer Marcel Bär. Letzterer zeichnet sich für das einzige bisherige Saisontor verantwortlich. Noch wichtiger aus Sicht des TSV: Sascha Mölders ist noch da. Der Stürmer hatte eigentlich schon genug vom Profifußball, für Sechzig hat er aber noch die nötige Leidenschaft. So sehr, dass er jüngst zum ältesten Torschützenkönig in einer deutschen Profiliga wurde. 22 Treffer reichten dafür und so überflügelte er Fritz Walter (Arminia Bielefeld) und Manni Burgsmüller (RWO), die jeweils mit 35 in der zweiten Liga die Kanone abräumten. Mindestes ein Jahr läuft das Arbeitspapier von Mölders noch, damit ist dieses Jahr möglicherweise die letzte Chance an seiner Pokalbilanz zu schrauben. Ein Pokalspezialist ist der ehemalige Augsburger nämlich nicht. In 14 Auftritten in diesem Wettbewerb kam er auf untypisch wenige zwei Tore. Und es ging nur zweimal weiter als Runde eins. Mit dem FSV Frankfurt 2010 war gegen Schalke in Runde zwei Schluss, 2013/14 im Achtelfinale gegen den FC Bayern.

Damit teilt sich Mölders die Abneigung gegen den Pokal mit seinem Klub in den letzten Jahren. Aktuell hat man Glück, dass man sich über die Liga qualifizieren konnte. Im bayrischen Landespokal schied man nämlich gegen den Stadtrivalen Türkgücü aus. Letzte Saison schied man gegen Eintracht Frankfurt aus gleich zum Start, im Jahr davor war man nicht im Wettbewerb. Das letzte Mal über Runde eins kam man 2017. Damals war dann aber im Achtelfinale gegen die Sportfreunde Lotte eher blamabel Endstation. Dabei hat man ja eine glorreiche Historie im DFB-Pokal. Zweimal gewann man diesen Wettbewerb, damit steht München in der nur drei Städte umfassenden Liste der Doppelsieger (wer die anderen zwei als erstes errät, bekommt ein Stadionbier). Allerdings sind sowohl 1942 und 1964 lange her. Der letzte Pokalsieg war der Toto-Pokal in Bayern 2020. Den wird man dieses Jahr verteidigen können, die erste Hürde dabei ist der SV Birkenfeld. Für die Unterfranken aus der Kreisliga sicher das große Los. Für Michael Köllners Truppe sicher eine Pflichtaufgabe als Favorit. Ungewohnter dagegen, dass 1860 auch gegen die Lilien und ihr Personalchaos in der Pole Position sein dürften. Endlich mal nicht als Außenseiter spielen und in die zweite Runde einziehen? Oder wiederholt sich ein Straucheln als Favorit wie gegen Lotte?