Ein zerfahrener Freitag beschert den formstarken Kontrahenten jeweils einen Punkt. Dabei wird sich am Ende eher der Gast als Sieger führen, die Lilien lassen nach Führung punkte liegen. Das Remis in der Analyse:

Nach dem Heimsieg gegen Heidenheim waren die 98er heiß darauf nachzulegen. Ein zweites Heimspiel in Serie schien ideal dafür. Der Gast aus Sandhausen war allerdings ebenfalls heiß, lieferte einen kraftvollen Auftritt und wurde seiner Formstärke durchaus gerecht. Darmstadt verändert fünfmal: Klaus Gjasula kehrt ins Mittefeld zurück, Matze Bader fällt kurzfristig aus und wird durch Ronstadt ersetzt, dazu kommen Seydel für Luca Pfeiffer und Mehlem für Honsak. Der SVS kommt auf einer Positionen verändert. Diekmeier ist hinten rechts neu, für ihn weicht Kinsombi und Ajdini rückt von Außenverteidiger ins Mittelfeld. In der Folge entwickelt sich ein eher zerfahrenes Spiel, die Gäste stören viel, Darmstadt kommt nie so richtig in einen Spielfluss.

Taktisch agieren die Lilien leicht verändert vom gewohnten System. Man steht in einem 4-1-3-2. Tobias Kempe spielt eine Position vor Gjasula, die Doppelsechs ist gesprengt, ein Zehner ist angesagt. Marvin Mehlem spielt auf der linken Außenbahn, zieht aber immer wieder in die Mitte, seine angestammten Räume als zentraler Mittelfeldmann. Phasenweise entwickelt sich so beim SVD ein 3-1-2-2-2, vor Gjasula bilden Mehlem und Kempe eine Art Doppelacht/-zehn, Holland ersetzt Mehlem auf dem Flügel und vorne bleibt das Duo Seydel und Tietz. Man merkt schon ein bisschen, dass sich Freitag viel um Marvin Mehlem dreht. Die Bewertung seiner Rolle ist schwierig. Auf der Außenbahn ist er ein „workaround“, weil er zu gut ist, um ihn häufig draußen zu lassen, muss man eine Rolle für ihn finden. Er ist aber kein Flügelspieler, ein erfolgloses Dribbling im Spielverlauf spricht Bände. Dafür spielt er zwei tödliche Pässe und hat zehn Wiedereroberungen auf dem Konto. Gäbe es Tobias Kempe nicht, Mehlem würde vermutlich fast durchgängig im Zentrum spielen (und das auch bei Leistungen wie Freitag zu Recht). Nur wo man ihn einsetzt, bleibt eine Diskussion für die letzten Saisonwochen.

Der SV Sandhausen nutzte die Mehlem-Rolle tatsächlich teilweise aus in seinem System. Man spielte in einem 4-2-3-1, Tom Trybull und Erik Zenga als Doppelsechs, Bachmann als Zehner und Soukou links, Ajdini rechts. Ganz vorne Top-Stürmer Testroet, der am Freitag aber keine Rolle spielte. Im Spielaufbau kamen die Gäste häufig mit einem 3-3-3-1. Heißt Trybull als tiefer Spielmacher, Zenga davor und die Außenverteidiger weit aufgerückt. Besonders Diekmeier schob viel über seine rechte Seite an, weil er den von Mehlem verlassenen Raum nutzen wollte. Der viel größere Plan im Spiel des SVS war sehr klassisches Gegenpressing im Jürgen Klopp oldschool Sinne. Balleroberungen tief in der gegnerischen Hälfte als bester Spielmacher und dann den kurzen Weg zum Tor nutzen. Das Problem dabei, das Anlaufen klappte gut, Sandhausen war sehr griffig und den Lilien körperlich ebenbürtig, aber spielerisch konnte man wenig ausrichten. Nach Eroberungen fehlte es häufig an zündenden Ideen, da halfen auch das Vorstoßen von Bachmann in die Spitze wenig. Es kamen keine Bälle. Dazu war man vor der Pause nicht kompakt genug. Die Abstände waren groß, die Lilien hatten wenig Mühe das Spiel zu kontrollieren.

Auf der anderen Seite kamen die Gastgeber nie richtig in lange Druckphasen, etwas das dem SVS mit Sicherheit zugesetzt hätte. Man brachte die Gäste aber zu selten in Seitenwechsel, vielleicht auch, weil nicht immer beide Flügel besetzt waren (siehe Mehlem-Rolle). Im Zentrum wurde man dann viel vom SVS bearbeitet. Deren Spielweise ist am besten mit „disruptive“ zu beschreiben, in vollem Tempo anlaufen, Bälle erobern oder Foul spielen, den Gegner immer wieder aus dem Rhythmus bringen. Klappte am Ende gut genug, um einen Punkt zu entführen. Nach der Pause spielten die Kurpfälzer sogar so kompakt, dass die 98er kaum in die Partie zurückkamen. Es blieb aber dabei, dass der SVS kaum klare Chance hatte. Vor der Pause hatte man den Pfostentreffer von Kempe, einen Wegrutscher von Testroet und Ajdini der kläglich im Strafraum vergab. Darmstadt traf im Umschalten nach dem Fast-Eigentor und hatte durch Kempe und Seydel noch Gelegenheiten. Wie zu erwarten hat der Gast wieder einen niedrigen xG-Wert unter 1 (0,6). Man hat Probleme mit der Chancenerarbeitung. Der SVD kommt seinerseits auf 1,6, aber so richtig wird man den Eindruck nicht los, dass zu einem zweiten Tor doch eine Menge gefehlt hat.

Final führt der mit weitem Abstand beste Angriff von Sandhausen zum Ausgleich. Er war die Folge einer Druckphase, dreimal konnte man den Ball zurückerobern, dann spielte Trybull aus der tiefen Position Ajdini frei, der schickt Soukou zur Grundlinie, dessen Einlaufen genau dieses eine Mal in den 90 Minuten so stattfand. Pass in den Rückraum, wo Kutucu vergessen wurde. Ein bitteres Gegentor aus Sicht des SV 98, weil es spät und wieder im inneren des Strafraums zu Stande kam. Zuletzt hatte man hier besonders bei ruhenden Bällen immer wieder Spieler aus den Augen verloren. Was bleibt ist ein Punkt, gegen einen unangenehmen Gegner, der körperlich ähnlich präsent war, wie man selbst in dieser Saison. Gegen Heidenheim hat man gesehen, dass das Lieberknecht Team immer noch diese unwiderstehliche Wucht entfalten kann. Gelingt das nicht, kommen Spiele wie diesen Freitag dabei heraus. Man tut sich schwer in einen Spielfluss zu kommen, den Gegner druckvoll zu dominieren liegt einem eh nicht. Punktetechnisch ist man gut in Form, spielerisch wirkt man ein wenig auf der Suche nach dem Esprit der Vorrunde. Gegen Werder Bremen bekommt man dann nächste Woche einen echten Härtetest. Eine hochspannende Partie, bei der man diese Suche beenden könnte.