Trotz Remis blieben die Lilien Spitzenreiter und treten nun beim FC St. Pauli an. Die verloren ihrerseits gerade beim vormals Tabellenletzten aus Bielefeld. Wird es das gewohnte Duell mit Wohlfühlfaktor für den SVD?

Die Nummer 1 der Stadt:

Räumen wir gleich das offensichtliche aus dem Weg. Der frisch gebackene Stadtmeister St. Pauli empfängt am Samstag die heimliche Nummer eins in Hamburg. An kaum einem Ort dürften sich die Lilien so wohl fühlen, wie in der Hansestadt. Gegen den Stadtrivalen der Kiezkicker ist man seit 1981 im Volkspark ungeschlagen. Seit 2015 hat man in sieben Duellen in der Arena der vielen Namen sechs Dreier geholt und ein Remis. Ein absoluter Lieblingsgegner ist aber auch der FCSP. In den letzten zehn Spielen (egal wo) gewannen nur zweimal die Hamburger. Das allerdings aus ihrer Sicht immerhin am Millerntor. Übrigens sind die braun-weißen auch der Lieblingsgegner von Kapitän Fabian Holland. Gegen kein Team spielte (13) und traf (2) er häufiger. Einmal für Hertha, zwölfmal für die Lilien. Der Dauerbrenner dürfte auch am Samstag wieder gesetzt sein.  

Strohfeuer Derbysieg?

Schaut man auf die Form der beiden Teams, dürften die Hamburger neidisch auf die Südhessen blicken. Deren letzte Niederlage war am ersten Spieltag. Seitdem konnte nicht Mal Borussia Mönchengladbach die Lieberknecht-Truppe stoppen. Der Lohn ist Platz eins. Der FCSP schien nach sieben sieglosen Spielen den Bock umgestoßen zu haben. Natürlich im Stadtderby gegen den hsv. Die bügelte man in personeller Überzahl deutlich mit 3:0 ab. Doch schon das folgende Pokalspiel erwies sich als emotionaler Steckerzieher. Gegen den SC Freiburg überzeugt man über weite Strecken, der Europa League Teilnehmer zeigte sich aber eiskalt und traf in der Nachspielzeit der regulären Spielzeit und dann zu allem Überfluss noch in Minute 119. Das folgende Ligaspiel verloren die Sankt Paulianer dann auch prompt in Bielefeld. Überhaupt läuft es Mal wieder gar nicht auswärts. Am Millerntor ist man ungeschlagen, in der Fremde verliert man sogar gegen Kellerkinder regelmäßig. Vom Aufstiegsanwärter der letzten Saison ist punktetechnisch und personell wenig übriggeblieben.

Getrennte Wege:

Im April waren beide Teams noch weitestgehend gleichauf. Die Klubs kämpften um den Aufstieg und gegen das unvermeidliche, die Favoriten Schalke und Werder vom Aufstieg abzuhalten. Am Ende siegten die Lilien, kickten die Kiezkicker aus dem Aufstiegsrennen, nur um sich dann am 33. Spieltag selbst vom Aufstieg zu verabschieden (1:2 in Düsseldorf). Allerdings hat Trainer Lieberknecht es geschafft sein Team zusammen und sportlich auf Kurs zu halten. Aus dem Abgang von Luca Pfeiffer resultierte eine Systemumstellung auf 3-5-2, die den SVD gefühlt noch stärker gemacht hat. Mit Braydon Manu hat man einen neuen Sturmpartner vor Tietz gefunden. Der ist schnell, quirlig und ähnlich robust, wie man es von Darmstädter Spielern gewohnt ist. Oder wie es ein Gladbacher nach dem Pokal ausdrückte: Der „Darmstädter 1,20m Messi“. Auch die Verletzung des zentralen Parts der Dreierkette Gjasula steckte man weg. Im Mittelfeld fällt Fabian Schnellhardt aus? Kein Problem. Das Berliner Taschenmesser Fabian Holland geht einfach auf die Doppelsechs.

Von solchen Automatismen träumt Timo Schultz wahrscheinlich. Der FCSP-Coach muss seinen zweiten Umbruch in drei Saisons moderieren. Besonders in der Offensive war der Aderlass groß. Nach Omar Marmoush 2021, gingen diesen Sommer Top-Torjäger Burgstaller, der wahrscheinlich beste Spieler der Liga Daniel-Kofi Kyereh und dazu mit Dittgen und Makinok die Sidekicks Burgstallers. Wer soll da eigentlich die Tore schießen? Diese Frage ist immer noch offen. Johannes Eggestein begann gut (3 Tore), ist aber seit Wochen außen vor. Auch, weil die Hamburger ebenfalls auf ein 3-5-2 umgestellt haben. So coachte man den hsv im Derby aus, aber wirkte zuletzt zweimal offensiv wenig zwingend. Ansonsten sprangen Kapitän Irvine und Mittelfeldmotor Hartel als Schützen ein (je 3). Kein Wunder, dass man sagenhafte 13 Treffer weniger hat, als letztes Jahr zum gleichen Zeitpunkt. Auch hinten kassierte man drei Tore mehr. Hier fehlen Ex-Kapitän Ziereis und Lawrence aus der letzten Saison. Dazu Neuzugang Nehmet und der vermeintliche Abwehrchef Medic. Sehr viele Baustellen beim FCSP.

Statistisches:

Die Daten zeigen auch, dass bei den braun-weißen etwas nicht stimmt. Man hat den zweithöchsten xG-Wert der Liga (1,88) und die vierthöchste Passgenauigkeit (80,2%) und Ballbesitzwerte (55%). Die Lilien kommen nach xG übrigens auf den siebtbesten Wert (1,66), der sich auch auswärts kaum verändert (1,64). Die Gastgeber lassen zusätzlich den niedrigsten Wert xGA-Wert zu. Bleibt also spannend, ob es ein offensives Spektakel wird oder die Hamburger den SVD überraschend einschränken können. Ein Auge auf Standardsituationen sollte man ebenfalls haben. Die 98er sind das zweitbeste Team der Liga (6 Tore) die Hamburger haben nur einen Treffer weniger nach ruhendem Ball. Farbenfroh könnte es auch werden. Mit Jackson Irvine und Fabian Holland treffen die beiden Spieler mit den meisten Verwarnungen (6) aufeinander. Und die Lilien gehören eh immer zu den kartenlastigen Teams. Aktuell stehen sie bei 34 gelben Karten und zwei Platzverweisen.

Alle Analysen beruhen auf Daten von transfermarkt.de, fussballdaten.de, projects.fivethirtyeight.com/soccer-predictions/bundesliga-2/, whoscored.com und footystats.org.